Vermittlung und Förderung von Engagement via Plattformen

Welche Funktionen und Potenziale können Engagement-spezifische Plattformen bieten? Dieser Artikel liefert wissenschaftliche Hintergründe zum Themenfeld.

Veröffentlicht

21. Oktober 2020

Autorin

Claudia Haas

DOI

doi.org/10.5281/zenodo.4072816

Engagement-spezifische Plattformen, die speziell für diesen Zweck geschaffen wurden, bieten neue Möglichkeiten der Unterstützung und Vermittlung zivilgesellschaftlichen Engagements bei gemeinnützigen Projekten. Spendenaktionen werden integriert über die etablierten sozialen Medien abgewickelt oder finden auf eigens dafür entwickelten Crowdfunding-Plattformen wie beispielsweise GofundMe.org oder Fairplaid statt. Crowdfunding bietet Engagementprojekten einen neuen Zugang zu finanzieller Unterstützung. Die Anzahl der Plattformen, die sich auf die Vermittlung von Engagierten und Engagement-Organisationen spezialisiert haben, ist in den letzten Jahren immer weiter gestiegen. Auf Plattformen wie vostel.de, Stiftung Gute-Tat oder auch auf spezialisierten Vermittlungsdiensten wie youvo können Organisationen ihre Projekte einstellen und bewerben, um neue Freiwillige und Unterstützende zu finden.

Freiwilligenvermittlung, Finanzierung und Mitgliederverwaltung

Viele neue Formen des digitalen Engagements sind im Zuge der digitalen Transformation durch die Entwicklung von Plattformen entstanden. Diese Plattformen bieten sowohl Möglichkeiten zur Information über und Vermittlung von ehrenamtlich Engagierten als auch Potenziale für die Organisation und das Management ehrenamtlicher Mitglieder. Für den Engagementsektor lassen sich zwei Kategorien von Plattformen unterscheiden: International agierende Plattformen wie Facebook, Instagram oder WhatsApp, die zwar nicht auf Engagementaufgaben zugeschnitten sind, aber zu diesem Zweck zur Kommunikation etc. genutzt werden. Diese Unternehmen erfüllen demnach zwar gesellschaftliche Funktionen, verfolgen aber nicht primär gesellschaftliche, sondern wirtschaftliche Ziele (BMFSFJ, 2020, S. 119).

Zwischen den Nutzenden der Plattformen werden unterschiedliche Formen von Beziehungen hergestellt

Daneben haben sich in den letzten Jahren Engagement-spezifische Plattformen etabliert, die speziell für diesen Zweck geschaffen wurden. Sie bieten Funktionen an, die spezifische Formen von Engagement unterstützen, zum Beispiel das Sammeln von Geldern zur Finanzierung von Engagementprojekten, die Vermittlung von Ehrenamtlichen für gemeinwohlorientierte Vorhaben, Petitionsaktionen, Bürger*innenbeteiligung oder Nachbarschaftshilfe (BMFSFJ, 2020). Zwischen den Nutzenden der Engagement-spezifischen Plattformen werden dabei unterschiedliche Formen von Beziehungen hergestellt. So gibt es etwa Plattformen, die zwischen (gemeinnützigen) Organisationen und individuellen Nutzenden, aber auch solche, die zwischen individuellen Nutzenden untereinander vermitteln (BMFSFJ, 2020, S. 123). Im Folgenden werden jene Plattformen in den Blick genommen, die der Vermittlung von Freiwilligen sowie der spendenbasierten Finanzierung dienen.

Engagement-Plattformen als Matchmaker

In Deutschland bieten nach aktuellem Kenntnisstand über 20 Plattformen die Vermittlung von Ehrenamtlichen an, wie der Übersicht digitaler Infrastrukturen des Engagements im Dritten Engagementbericht zu entnehmen ist (BMFSFJ, 2020). Auf diesen Plattformen können Organisationen Enagementangebote einstellen und bewerben, um Engagierte zu suchen. Die Bandbreite der angebotenen Tätigkeiten ist weit gefächert. Lesepat*innen, Tierrechtsreferent*innen oder Mobbing-Hilfestellen werden ebenso gesucht wie ehrenamtliche Social-Media-Redakteur*innen oder Grafikdesigner*innen.

Engagement-Plattformen können dabei helfen, übergreifende Aktionen im Engagementsektor zu organisieren

Interessierte, die nach Engagementgelegenheiten suchen, können die Datenbanken durchsuchen und über die Plattform Kontakt zum Projekt aufnehmen. Aus der digitalen Vermittlung ergeben sich mehrere potenzielle Vorteile: Indem die Plattform eine vermittelnde Rolle einnimmt, erhalten die Plattform-Betreibenden einen Überblick über den Engagementsektor und bauen beständig Beziehungen zu den verschiedenen Plattformnutzenden auf. Hanna Lutz, Geschäftsführerin von vostel.de, betont zudem, dass Plattformen Engagementoptionen für neue Zielgruppen erschließen, wie zum Beispiel für zugewanderte Menschen, sogenannte Expats und Geflüchtete (Lutz, 2019). Die Suche nach einem passenden Engagement sowie die Aufrechterhaltung eines umfassenden Netzwerkes erfordert beträchtliche Zeit und Mühe, welche die an einem Engagement interessierten Personen und Organisationen, die in der Regel ohnehin über knappe Ressourcen verfügen, durch den Dienst der Plattform einsparen können. Darüber hinaus können Engagement-spezifische Plattformen dabei helfen, übergreifende Aktionen im Engagementsektor zu organisieren, die für unzusammenhängende Gruppen allein nur schwer zu verwirklichen wären (Hansen et al., 2014, S. 1309).

Engagement-Plattformen als Multitools

Engagement-spezifische Plattformen zielen darauf ab, durch ihre Funktionen Engagement zu initiieren oder zu erleichtern

Innerhalb des letzten Jahrzehnts hat sich das Angebot internationaler und deutscher Plattformen, die gezielt den Engagementsektor ansprechen, kontinuierlich erweitert. Engagement-spezifische Plattformen zielen darauf ab, durch ihre Funktionen Engagement zu initiieren oder zu erleichtern. Um sich von anderen Anbietenden zu unterscheiden, beanspruchen die Plattformen nicht selten bestimmte Alleinstellungsmerkmale, die sie durch ihre Gestaltung und Narrative hervorheben (BMFSFJ, 2020, S. 123). helpteers etwa bezeichnet sich als „Engagement-Plattform“ (o. .J.), nebenan.de will „sich für das Gemeinwohl in Ihrem lokalen Umfeld einsetzen“ (o. J.). Einige Engagement-spezifische Plattformen bieten neben der Vermittlungsfunktion auch weitere Dienste an und werden somit zum Multitool für Engagierte. So stellt die Stiftung Gute-Tat einen „Ehrenamtsmanager“ bereit, d.h. ein Tool zur Koordination von Ehrenamtlichen. Ebenso kann auf der Website eine Online-Bibliothek und -Videothek zum Thema Ehrenamt aufgerufen werden. Zu weiteren Aufgabenfeldern der Stiftung Gute-Tat zählen Öffentlichkeitsarbeit, die Organisation von Social-Media-Kampagnen sowie Corporate-Volunteering-Veranstaltungen für Unternehmen. Corporate Volunteering bezeichnet die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements von Mitarbeitenden in Unternehmen über die reguläre Geschäftstätigkeit des Unternehmens hinaus.

Modernes Finanzierungsinstrument: Crowdfunding

Für die Finanzierung von Engagementprojekten bietet sich eine Vielzahl von Lösungen: Crowdfunding- und Spenden-Plattformen ermöglichen die Spendengewinnung über das Internet sowie eine digitale Abwicklung des Spendenprozesses für ein laufendes Fundraising. Analoge Wege der Spendengewinnung können somit sinnvoll ergänzt werden (BMFSFJ, 2020). Das Crowdfunding stellt eine Schwarmfinanzierung dar, bei der eine Masse (crowd) zur Finanzierung (funding) in Form von Spenden oder Beteiligung an Projekten aufgerufen wird, die ansonsten nicht zu realisieren wären (Linek, 2018, S. 204). Crowdfunding-Plattformen wie betterplace.org, Startnext oder Fairplaid vermitteln digital zwischen Projekten und potenziellen Spender*innen und erleichtern damit den Spendenprozess.

„Der Verein fährt mit dem Crowdfunding-Projekt eine klassische Kampagne“

Neben der Finanzierungsmöglichkeit ergeben sich weitere Nutzen für die Initiator*innen der Crowdfunding-Kampagnen, wie auch Francesca Poschen im Interview aus ihrer Erfahrung als Projektcoach bei Fairplaid berichtet: „Der Verein fährt mit dem Crowdfunding-Projekt eine klassische Kampagne. Dabei baut er Reichweite auf, stärkt das Netzwerk und weitet es aus. Das führt häufig zu neuen Followers in den sozialen Medien, zu neuen Vereinsmitgliedern und zu mehr Kontakten generell. Es öffnen sich im Nachhinein neue Türen, auch neue Sponsoringpartner*innen werden gewonnen”. So lässt sich nicht nur die Anzahl der Spendenden maximieren, sondern auch die Bindung der Geldgebenden an die Organisationen stärken (BMFSFJ, 2020, S. 123).

Crowdfunding im Engagementsektor: Das gute Gefühl als Rendite

Crowdfunding-Kampagnen unterscheiden sich in Bezug auf die jeweils angebotene Gegenleistung für die eingegangenen Geldspenden. Die Geldgebenden zeigen bei Crowdfunding-Kampagnen gemeinnütziger Projekte Interesse an vielseitigeren Renditen als lediglich einer monetären Zinszahlung bzw. verzichten vollständig auf eine Gegenleistung (Beier, 2018). Crowdfunding-Plattformen bieten neue Formen der Geldanlage: Beim rewarded-based Crowdfunding (auch Crowdsponsoring genannt) erhalten die Unterstützenden zum Dank eine nichtmonetäre Prämie, die zuvor festgelegt wurde, beispielsweise ein Mannschaftstrikot des Vereins oder ein kostenloses (Probe-)Training. Anders verhält es sich beim donation-based Crowdfunding (auch Crowddonating genannt): Hierbei ist die Spende an keine Gegenleistung geknüpft; die „Rendite” besteht aus dem guten Gefühl, ein gemeinnütziges Projekt unterstützt zu haben (Beier, 2018, S. 109).

Geschäftsmodelle von Engagement-Plattformen

Plattformen im Engagementsektor unterscheiden sich je nach Organisationsform und Geschäftsmodell. Wie die Ergebnisse des Dritten Engagementberichts zeigen, verfolgen manche Plattformen ein wirtschaftliches Geschäftsmodell, während sich andere ausschließlich durch Spenden und Förderungen finanzieren, weil sie eine unternehmerische Ausrichtung ablehnen (BMFSFJ, 2020, S. 124). Das Spektrum der Geschäftsmodelle von Engagement-spezifischen Plattformen reicht von Aktiengesellschaften (wie gut.org bzw. betterplace.org) über privatunternehmerische Gesellschafter*innen (wie vostel UG), Stiftungen (wie Stiftung Gute-Tat) bis hin zu gemeinnützigen Vereinsstrukturen (wie youvo e. V.).

Neue Wege zum Engagement

Die Bedeutung von Plattformen für den Engagementsektor nimmt auch in Zukunft noch weiter zu. Die durchgreifende Wirkung der großen Social-Media-Netzwerke ist in allen Bereichen des Engagements übergreifend sichtbar, denn sie stellen einen wichtigen Bezugspunkt für die Engagierten dar. Dies bestätigen die Ergebnisse der Jugendbefragung des Dritten Engagementberichts (BMFSFJ, 2020): Mehr als die Hälfte der engagierten Jugendlichen bedient sich sozialer Medien, wie WhatsApp, Facebook oder Instagram zum Austausch im und zur Organisation des Engagements (58,1 %). Auch für die Öffentlichkeitsarbeit greifen Organisationen auf soziale Medien zurück. In Bezug auf die Engagement-spezifischen Plattformen besteht sowohl bei den Betreibenden wie auch bei den Plattformnutzenden angesichts der vielfältigen Angebote noch Orientierungs- und Lernbedarf: „Im individuellen Umgang zeigen sich große Unterschiede zwischen Engagierten, die Plattformen eher unstrukturiert und zufällig nutzen, und einer digitalen Beteiligungselite, die verschiedene Plattformen parallel und in unterschiedlichen Kontexten einsetzt” (BMFSFJ, 2020, S. 131). Nichtsdestotrotz tragen Engagement-Plattformen zur erleichterten Suche nach ehrenamtlicher Arbeit bei. Interessierten werden neue Möglichkeiten eröffnet, sich thematisch, räumlich und zeitlich unabhängig zu engagieren – ob durch eine Spende bei einer Crowdfunding-Kampagne oder über eine online vermittelte gemeinnützige Tätigkeit.

Literatur

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Bieber, C. (2018). „Smart City“ und „Civic Tech“. Urbane Bewegungen im Zeichen der Digitalisierung? In A. Hepp, S. Kubitschko, & I. Marszolek (Hrsg.), Die mediatisierte Stadt: Kommunikative Figurationen des urbanen Zusammenlebens (S. 177–194). Springer Fachmedien Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20323-8

[BMFSFJ] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2020). Dritter Engagementbericht – Schwerpunkt: Zukunft Zivilgesellschaft: Junges Engagement im digitalen Zeitalter. (BT-Drs. 19/19320). Berlin.

Bundesministerium des Innern. 2012. Open Government Data Deutschland. Berlin: BMI.

Bechmann, G., & Beck, S. (2002). E-Government: Chancen zur Rationalisierung und Demokratisierung der Verwaltung? TATuP – Zeitschrift für Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis, 11(3–4), 5–13. https://doi.org/10.14512/tatup.11.3-4.5

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